Drei Männer im Schnee
Musical, genannt „Revueoperette“, von Thomas Pigor und drei anderen Komponisten
Das Stück wurde vom Gärtnerplatztheater in Auftrag gegeben, Uraufführung war am 31. Januar 2019, Regie führte Josef E. Köpplinger.
Am 9. Februar besuchte ich die vierte Vorstellung. Für mich war der Besuch als Mitglied der Erich Kästner Gesellschaft natürlich Pflicht. Aber weil ich Musicals generell nicht mag, ging ich folglich mit gemischten Gefühlen hin. Ich wurde aber durch die sehr lebendige und farbenfrohe Inszenierung angenehm enttäuscht.
Nach Öffnung des Vorhangs tritt gleich eine Kinderschar auf, die ein Reklamelied der Toblerwerke singt. Ich meine fast, der Regisseur hat an die Kinderschar von „Emil und die Detektive“ gedacht. Das Bühnenbild ist im leichten Art Deco-Stil gehalten und nicht von der üblichen Leere heutiger Operninszenierungen. Besungen wird als erstes das Leid der Arbeitslosigkeit, dann wird die Preisverteilung gezeigt. Im nächsten Bild sind wir schon beim Hotel, vor dem das gesamte Personal singt und hopst, also ein Revueballett vorführt, das sich etwas sehr lang hinzieht, weil alle drankommen sollen, vom Hoteldirektor bis zum letzten Stubenmädchen.
In der ersten Hälfte hält sich die Bühnenfassung ziemlich an Erich Kästners Romanvorlage, auch werden ab und zu wörtliche Fragmente aus Kästners Text zitiert. Toni der Skilehrer tritt mit seinen Eleven auf; sie führen mit Skiern und Stöcken eine originelle Rhythmuseinlage auf. Die drei Männer bauen ihren Schneemann und singen dabei das Couplet „Drei Männer im Schnee“. Sogar der Maskenball läuft noch im ersten Teil ab. Gefeiert wird das neue Jahr 1933. Im Verlauf des turbulenten Balls mehren sich die über Kästner hinausgehenden Einfälle des Autors Pigor. Drei uniformierte SA-Männer mit Hakenkreuzbinden stürzen sich in die Menge, wollen aber nur tanzen. Man will sie zuerst hinauswerfen, doch der Hoteldirektor erkennt Spezln und ruft beruhigend: „Das sind keine Nazis, das sind Österreicher!“ Der Vorhang fällt, während man noch einen Jungen mit einem Hakenkreuzfähnchen wedeln sieht.
Nach der Pause läßt der Autor seine bislang noch kurz gehaltene Phantasie vollends von der Leine. Die anreisende Tochter des Millionärs samt Hausdame müssen im selben Zimmer wie der Preisträger wohnen. Toblers Butler, der im Dachkämmerchen den Anzug seines Herrn bügelt, wird nicht zuerst von Tobler, sondern vom Skilehrer Toni überrascht, der seinen Beruf und die Skiweiber lautstark verflucht und in einem homoerotischen Anfall den Butler ins Bett und sich über ihn wirft. Toblers Tochter, die ihren Vater vergeblich um die Erlaubnis bittet, mit Scheich von Bachrein ins Geschäft kommen zu dürfen, wird vom Hoteldirektor während der Zimmerreinigung auf den Hausberg namens Wolkenstein geschickt. In der Gondel trifft sie den Preisträger, den sie bisher verabscheut hatte; sie verlieben sich unter Blitzen eines Wintergewitters nun ineinander. Zum guten Ende kommt auch noch der Scheich mit Entourage an, worauf der Vater in ihm einen alten Studienkollegen erkennt und der Tochter nun ihre geschäftlichen Aktivitäten gnädig erlaubt.
Die Musik bewegt sich ganz im Harmonischen und im Stil der dreißiger Jahre, erspart dem Publikum gehörmarternde Dissonanzen und entspricht so dem Zeitkolorit. Allerdings fließt sie dahin ohne eingängige melodiöse Höhepunkte, die sich für längere Zeit ins Ohr einnisten könnten. Die gerade noch erträgliche Lautstärke wurde von Chor und Orchester sicher elektronisch erzeugt. Ob die Solisten ohne Mikrophone überhaupt eine nennenswerte Stimme haben, läßt sich nicht beurteilen. Sehr gelungen waren aber Choreographie, Bühnenbilder und Kostüme. Wer deswegen nicht nach München fahren möchte, kann die Operette im Deutschlandfunk Kultur am 28.12.2019 ab 20.03 Uhr wenigstens hören.
Andreas Bode