Nachlese zum 120. Geburtstag von Erich Kästner

Am vergangenen Samstag wäre Erich Kästner 120 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass gab es eine dreitägige Konferenz in München, an der zahlreiche Mitglieder der Erich Kästner Gesellschaft teilgenommen haben. Die SZ berichtete ausführlich. Ein Tagungsband mit den Vorträgen ist angekündigt.

Thematisiert wurde immer wieder Kästners Roman Fabian, von dem es in nächster Zeit eine Neuverfilmung geben wird.

Im WDR-Radio liefen zwei Portraits zu Kästner, die man nachhören und herunterladen kann: Zeitzeichen und Stichtag.

Und noch rasch einen Programmhinweis: In Hamburg gibt es am 6.3. einen Literarischen Abend zu Erich Kästner!

Erich Kästner zum Geburtstag

Kann das Zufall sein? So dachte ich, als ich das Titelblatt des Zeitmagazins vom 14.2.2019 sah. Die Fotografie des Schauspielers Alexander Scheer erinnerte mich doch sehr an ein bekanntes Kästner-Foto, das auf dem Ausstellungskatalog von 1999 abgebildet ist. Ein versteckter Gruß zu Kästners 120. Geburtstag? Nachfragen beim ZEITmagazin ergaben, dass die Fotografin Jelka von Langen das Kästner-Foto nicht kennt. Das Foto von Herrn Scheer sei spontan entstanden, Tasse und Zigarette seien nicht geplant gewesen. Gehen wir einmal davon aus, dass es gar keine Zufälle gibt, dann gratuliert hier die Vorsehung Erich Kästner. Herzlichen Glückwunsch!

Nachtrag 1: Es war kein Zufall! Die Fotografin Jelka von Langen hat mir geschrieben: „Wir haben in einem großen Loft, einer Fabriketage in Berlin bei einem sehr netten Paar das Shooting veranstaltet. Nachmittags wollte Alexander Scheer gerne eine Tasse Tee trinken. Seinen grünen Tee und Utensilien zur Zubereitung hatte er sich sogar selbst mitgebracht. Das nette Ehepaar gestattete uns alles, das Team durfte sich überall bewegen und fotografieren, nur sollten wir fragen, wenn wir Geschirr benötigten. Wir fragten also nach einer ansehnlichen Tasse, damit ich ein gutes Bild von Alexander beim Tee trinken machen könnte. Der Hausherr zog die orangene Tasse aus dem Schrank plus einem gefalteten Zettel mit einem Bild von Erich Kästner und versicherte es sei genau diese orangene Tasse von Erich Kästner, die wir nun nutzen durften. Alexander Scheers Haare waren bereits genau so, wie die des Dichters. Nach 5 Minuten war ein ähnliches Licht aufgebaut und so fanden wir es lustig die Abbildung zu imitieren.“

Nachtrag 2: Bei der Fotografie von Erich Kästner handelt es sich um eine Aufnahme von Fritz Eschen. Sie ist Teil einer Serie, die am 7.11.1952 entstanden ist und in der Deutschen Fotothek eingesehen werden kann. Allerdings ist Kästner bekanntlich Rechtshänder, wie einigen Mitgliedern der Erich Kästner Gesellschaft sofort aufgefallen ist. Mit Kästner nach links blickend ist das Foto auch in Sylvia Lists Das große Erich Kästner Buch, S. 221 abgedruckt. Die Originalfotografie wurde also für den Umschlag des Ausstellungskataloges des Deutschen Historischen Museums gespiegelt. Für ein Museum, das sich der Darstellung historischer Wahrheiten verpflichtet fühlt, ein etwas zweifelhaftes Vorgehen. Jelka von Langen hat Alexander Scheer sehr treffend inszeniert. Vielen Dank!

Literaturfund: Karl und Manci

In der Reihe Fünf.Zwei.Vier.Neun. Ist eine kleine Novelle von Mala Laaser erschienen: Karl und Manci. Sie spielt in Berlin, wohl in den Jahren der Weltwirtschaftskrise und ist eine wunderbare kleine Liebesgeschichte im Stile von Kleiner Mann, was nun. Die editorischen Informationen über den Erstdruck der Novelle sind der vorliegenden Ausgabe nicht ganz klar zu entnehmen, doch gehört die Geschichte in jedem Fall in das Umfeld der Weimarer Republik und in die Zeit und das Umfeld von Kästners Fabian. In einem kurzen Nachwort würdigt Birgit Böllinger die Novelle als „Sachliche Romanze“. Mehr über Mala Laaser findet man hier.

Revueoperette

Drei Männer im Schnee

Musical, genannt „Revueoperette“, von Thomas Pigor und drei anderen Komponisten

Das Stück wurde vom Gärtnerplatztheater in Auftrag gegeben, Uraufführung war am 31. Januar 2019, Regie führte Josef E. Köpplinger.

Am 9. Februar besuchte ich die vierte Vorstellung. Für mich war der Besuch als Mitglied der Erich Kästner Gesellschaft natürlich Pflicht. Aber weil ich Musicals generell nicht mag, ging ich folglich mit gemischten Gefühlen hin. Ich wurde aber durch die sehr lebendige und farbenfrohe Inszenierung angenehm enttäuscht.

Nach Öffnung des Vorhangs tritt gleich eine Kinderschar auf, die ein Reklamelied der Toblerwerke singt. Ich meine fast, der Regisseur hat an die Kinderschar von „Emil und die Detektive“ gedacht. Das Bühnenbild ist im leichten Art Deco-Stil gehalten und nicht von der üblichen Leere heutiger Operninszenierungen. Besungen wird als erstes das Leid der Arbeitslosigkeit, dann wird die Preisverteilung gezeigt. Im nächsten Bild sind wir schon beim Hotel, vor dem das gesamte Personal singt und hopst, also ein Revueballett vorführt, das sich etwas sehr lang hinzieht, weil alle drankommen sollen, vom Hoteldirektor bis zum letzten Stubenmädchen.

In der ersten Hälfte hält sich die Bühnenfassung ziemlich an Erich Kästners Romanvorlage, auch werden ab und zu wörtliche Fragmente aus Kästners Text zitiert. Toni der Skilehrer tritt mit seinen Eleven auf; sie führen mit Skiern und Stöcken eine originelle Rhythmuseinlage auf. Die drei Männer bauen ihren Schneemann und singen dabei das Couplet „Drei Männer im Schnee“. Sogar der Maskenball läuft noch im ersten Teil ab. Gefeiert wird das neue Jahr 1933. Im Verlauf des turbulenten Balls mehren sich die über Kästner hinausgehenden Einfälle des Autors Pigor. Drei uniformierte SA-Männer mit Hakenkreuzbinden stürzen sich in die Menge, wollen aber nur tanzen. Man will sie zuerst hinauswerfen, doch der Hoteldirektor erkennt Spezln und ruft beruhigend: „Das sind keine Nazis, das sind Österreicher!“ Der Vorhang fällt, während man noch einen Jungen mit einem Hakenkreuzfähnchen wedeln sieht.

Nach der Pause läßt der Autor seine bislang noch kurz gehaltene Phantasie vollends von der Leine. Die anreisende Tochter des Millionärs samt Hausdame müssen im selben Zimmer wie der Preisträger wohnen. Toblers Butler, der im Dachkämmerchen den Anzug seines Herrn bügelt, wird nicht zuerst von Tobler, sondern vom Skilehrer Toni überrascht, der seinen Beruf und die Skiweiber lautstark verflucht und in einem homoerotischen Anfall den Butler ins Bett und sich über ihn wirft. Toblers Tochter, die ihren Vater vergeblich um die Erlaubnis bittet, mit Scheich von Bachrein ins Geschäft kommen zu dürfen, wird vom Hoteldirektor während der Zimmerreinigung auf den Hausberg namens Wolkenstein geschickt. In der Gondel trifft sie den Preisträger, den sie bisher verabscheut hatte; sie verlieben sich unter Blitzen eines Wintergewitters nun ineinander. Zum guten Ende kommt auch noch der Scheich mit Entourage an, worauf der Vater in ihm einen alten Studienkollegen erkennt und der Tochter nun ihre geschäftlichen Aktivitäten gnädig erlaubt.

Die Musik bewegt sich ganz im Harmonischen und im Stil der dreißiger Jahre, erspart dem Publikum gehörmarternde Dissonanzen und entspricht so dem Zeitkolorit. Allerdings fließt sie dahin ohne eingängige melodiöse Höhepunkte, die sich für längere Zeit ins Ohr einnisten könnten. Die gerade noch erträgliche Lautstärke wurde von Chor und Orchester sicher elektronisch erzeugt. Ob die Solisten ohne Mikrophone überhaupt eine nennenswerte Stimme haben, läßt sich nicht beurteilen. Sehr gelungen waren aber Choreographie, Bühnenbilder und Kostüme. Wer deswegen nicht nach München fahren möchte, kann die Operette im Deutschlandfunk Kultur am 28.12.2019 ab 20.03 Uhr wenigstens hören.

Andreas Bode

Tomi Ungerer gestorben

Der Träger des Erich Kästner Preises für Literatur des Jahres 2003 ist gestorben. Viele Mitglieder der Erich Kästner Gesellschaft erinnern sich an die denkwürdige Preisverleihung im Gebäude des Europarates in Straßburg, der Geburtsstadt Tomi Ungerers. Es gab keine Stühle und Tomi Ungerer war ganz in seinem Element. Seine kurzweilige Dankesrede und die Laudatio von Jutta Limbach sind nachzulesen im Jahrbuch der Erich Kästner Gesellschaft, Band 8. Nun hat Tomi Ungerer, der Schöpfer der Familie Mellops, die ein Flugzeug baut und mir seit meiner Kindheit ans Herz gewachsen ist (mein Großvater war Metzger und Flieger), im Alter von 87 Jahren seine „Passage auf die andere Seite“ angetreten.